Behindertentestament

Viele Eltern von behinderten Kindern haben Angst, dass ihr mühsam angespartes Vermögen im Erbfall von der Sozialhilfe „aufgezehrt wird, und zwar innerhalb kürzester Zeit, so dass auch das behinderte Kind aus dem ersparten und vererbten Vermögen keine Vorteile erzielt und nach dem Verbrauch des Vermögens durch die Sozialhilfe wieder auf die Sozialhilfe angewiesen ist, ohne besondere Vorteile zu haben.

Ziel des Behindertentestamentes ist, einerseits das Vermögen in der Familie zu erhalten und die Zugriffsmöglichkeiten der Sozialhilfeträger auf dieses Vermögen zu vermeiden. Andererseits soll dem Kind, besonders nach dem Tod der Eltern, eine über die normale Sozialhilfe hinausgehende Lebensqualität gesichert werden, was nur möglich ist, wenn Zuwendungen erreicht werden, die nicht vom Sozialhilfeträger weggenommen werden können.

Die Gestaltung eines Behindertentestamentes gehört zu den schwierigsten und komplexesten Gestaltungen der juristischen Erbrechtsberatung. Dem Laien sind die verschiedenen Gestaltungsregelungen oft nur schwer verständlich zu machen. Darüber hinaus bedarf es immer einer individuellen angepassten Regelung, ein „Standard-Behinderten-Testament“ gibt es nicht.

Die Bedürfnisse, Situationen und Wünsche der Beteiligten sind in jedem Fall einzeln zu berücksichtigen und einer angemessenen Lösung zuzuführen. Zu berücksichtigen sind auch das Vermögen und dessen Zusammensetzung.

Abgesehen von den Fällen des Schonvermögens kann der Sozialhilfeträger auf sämtliches Vermögen des Behinderten zugreifen, wenn dieser das Vermögen im Wege des Erbfalles erlangt, oder die Leistungen der Sozialhilfe einstellen.

Das Behindertentestament will eine Gestaltung erreichen, die dem Behinderten eine über die Sozialhilfe hinausgehende zusätzliche Absicherung gewährt. In den Fällen, in denen die Höhe des Nachlasses nicht ausreicht, die Sozialhilfeleistungen dauerhaft zu ersetzen, lässt sich dieses Ziel einer zusätzlichen Absicherung des Hinterbliebenen nur dann verwirklichen, wenn dem Sozialhilfeträger der Zugriff auf den Nachlass weitestgehend abgeschnitten wird.

Nun könnte man daran denken, dem behinderten Kind nichts oder nur wenig zukommen zu lassen. Dann entsteht der Pflichtteilsanspruch, der dann wiederum vom Sozialhilfeträger geltend gemacht werden könnte. Darüber hinaus wollen viele Eltern ihrem behinderten Kind ja gerade etwas zukommen lassen, um dessen Lebenssituation zu verbessern.

Wurde von den Ehegatten eine wechselbezügliche und bindende Schlusserbfolge bestimmt, so kann der überlebende Ehegatte die nach Eintritt des ersten Todesfalls bindend gewordenen Verfügungen nicht mehr abändern. Dies kann dazu führen, dass das Vermögen an die gemeinsam bestimmten Schlusserben fällt, obwohl sich diese bspw. nach dem Tod des Erstversterbenden nicht mehr um den überlebenden Ehepartner gekümmert haben. Es bietet sich daher an, in dem Ehegattentestament dem überlebenden Ehepartner eine Abänderungsbefugnis - die auch auf die gemeinsamen Abkömmlinge beschränkt werden kann - einzuräumen.

Es sind verschiedene erbrechtliche Gestaltungen überlegt worden, um ein Zugriff des Sozialhilfeträgers auszuschließen.

Die mittlerweile klassische Lösung geht von einer Erbeinsetzung des behinderten Kindes aus, und zwar bereits beim ersten Erbfall, also dem Versterben eines Ehepartners.

Das behinderte Kind wird dabei in der Höhe eines Erbteils, der zumindest geringfügig über dem gesetzlichen Pflichtteil liegen muss, zum sogenannten nicht befreiten Vorerben eingesetzt. Dadurch wird erreicht, dass der ererbte Nachlassanteil von ihm nicht verwertet und daher auch nicht im sozialhilferechtlichen Sinne eingesetzt werden kann. Als Nacherben werden die Abkömmlinge des behinderten Kindes, falls keine solchen vorhanden sind, seine Geschwister oder andere Verwandte eingesetzt. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein. Anstelle der Vor- und Nacherbeneinsetzung kann auch ein Vor- und Nachvermächtnis ausgesetzt werden (Vermächtnislösung). Zusätzlich wird in jedem Falle eine Dauertestamentsvollstreckung bis zum Tode des behinderten Kindes angeordnet. Zum Testamentsvollstrecker wird eine dem Behinderten besonders verbundene Person bestellt.

Wichtigste Regelung ist die Regelung der Aufgaben des Testamentsvollstreckers. Denn dieser soll ja dem behinderten Kind die Annehmlichkeiten zukommen lassen, die seine Lebenssituation verbessern, aber nicht dem Sozialhilferegress ausgesetzt sind. Daneben kommen auch weitere Annehmlichkeiten in Frage, etwa die Anordnung von Vermächtnissen für den Behinderten (etwa ein Wohnungsrecht in einem gemeinsamen Familienhaus).

Im Einzelfall muss auch erwogen werden, ob die für die anderen Erben mit dem Behindertentestament verbundenen Beschränkungen im Einzelfall angesichts des Vorteils des Behindertentestaments gewünscht sind. Hierbei sind auch die unterschiedlichen Wege (Vorvermächtnis oder Vorerbe)in die Überlegungen mit einzubeziehen.

Zudem sollte ein Behindertentestament noch mehr als im gewöhnlichen Testament regelmäßig auf seine Richtigkeit überprüft werden, da sich die rechtlichen und persönlichen Rahmenbedingungen ändern können.

Rechtsanwalt Christoph Roland Foos, LL.M.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Erbrecht - Magister der Verwaltungswissenschaften
Gartenstraße 8 - D-76872 Winden / Pfalz - Telefon: +49 6349 962985 - Telefax: +49 6349 962987

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf „Alle erlauben“ erklären Sie sich damit einverstanden.